Jetzt sind paar Tage vergangen und man konnte noch einmal drüber nachdenken was da am letzten Wochenende passiert ist. Meine Frau und ich haben etwas geschafft, woran wir zwar geglaubt und hin gearbeitet, aber insgeheim nicht zu 100% mit gerechnet haben.
Wir waren verunsichert nach der Corona Erkrankung und der missglückten Europameisterschaft in Namur.
Ich habe schon viele Meisterschaften gefahren und war hier und da auch mal krank vor der Meisterschaft und hatte gedacht, Corona ist auch recht leicht zu überbrücken aber falsch gedacht.
Nach Namur musste ein neuer Plan her. Cindy hat extrem viel zu arbeiten und ich habe neben der Arbeit und meinem Hobby die Verantwortung für Sportler vom HRV sowie die Sportler vom Stevens Racing Team.
Ich habe versucht Grundlage aufzubauen die Ruhe zu bewahren.
Die Rennen die wir fuhren, sind wir verschieden angegangen: Cindy mit angezogener Bremse, ich mit Vollgas. Warum? Cindy hatte noch paar Problemen mit ihrer Lunge, ich hatte Probleme volle Leistung abzurufen.
Die Anreise nach England war viel entspannter als das Jahr zuvor und so konnten wir donnerstags schon ein wenig entspannen. Natürlich haben wir auch die Strecke besichtigt. Viel Neues gab es nicht: die Runde war ein wenig verändert und es gab ein Sand-Stück von 200 Metern.
Cindy und ich sind die Tage vor den Rennen immer wieder mal zusammen um die Runde gefahren und ich habe immer gedacht, Cindy ist echt top drauf und fährt extrem konzentriert und schnell. So fokussiert habe ich sie selten erlebt.
Selbst nach meinem Rennen sind wir abends fast im Dunkeln nochmal um den Kurs um andere Reifen zu testen.
Zu meinem Rennen: ich konnte mich nicht einschätzen aber ich wusste das ich gut unterwegs bin. Es gab einen Namen in der Start-Liste und gleichzeitig die Nr 1 in der Startaufstellung, der mir etwas Sorge bereitete: Stuart Marshall Junioren Weltmeister von 1986. Bei dieser WM war ich 9.
Lange her aber trotzdem! Genauso waren die ersten 5 von der EM gemeldet, die ich in Namur noch ziehen lassen musste. Ich wusste, dass ich besser drauf bin als vor einem Jahr. Um einen Titel verteidigen zu können, muss das aber auch sein.
Meine Rennidee sollte es sein, sich so schnell wie möglich vom Feld abzusetzen wenn möglich. Auf dieser schnellen Runde ist mir das auch gelungen: 15 sec bei der ersten Ziel-Überfahrt und ich konnte sogar noch schneller werden. Von Meter zu Meter schmerzen zwar die Beine mehr, aber ich wollte den Titel safe haben und so hatte ich nach 5 von 7 Runden hatte über 1 min Vorsprung. Jetzt musste ich nur noch sauber fahren und mich nicht kaputt machen.
Im Ziel hatte ich einen Vorsprung von gut 1:30 auf den Zweitplatzierten, den Belgier Hauterat Georges, der immerhin 3. der EM in Namur geworden war.
Am Sonntag um 9:30 war Cindy dran und was soll ich sagen: ich war aufgeregter als bei meinem Rennen. Aber Cindy hat das noch getoppt.
Kein Wort ging über ihre Lippen am frühen morgen und im Bus auf dem Weg zur Strecke.
Ich glaube Cindy hat mich ein wenig imitiert oder dazu gelernt. Ich sage meinen Sportlern immer, sie sollen sich beim Strecken-Check auf das konzentrieren, was sie dort tun. Plausch halten & Faxen machen, kann man auch nach dem Rennen.
Also los zur Start-Aufstellung, Sachen abnehmen und auf die Plätze, fertig, los!
Drei Frauen in der Spitzengruppe und das sollte auch bis 2 Runden vor Schluss so bleiben.
Die Führung hat immer gewechselt und es war nicht eindeutig zu erkennen, welche Frau die meisten Reserven hat.
Ich konnte Cindy ansehen, wie klar sie im Rennen war und dass das Kämpferherz auf 130% Leistung eingestellt ist. Bei einem Bundesligarennen hätte sie vielleicht ziehen lassen, aber nicht bei der WM: Kurve, Antritt und immer wieder an die Gruppe ran aber nicht vorbei.
Mir war eigentlich klar, wenn sie in der letzten Runde noch in der Gruppe ist, gewinnt Cindy das Ding. So sollte es auch kommen: im Ziel-Sprint holt Cindy im allerletzten Moment alles raus und gewinnt mit einer Sekunde Vorsprung.
Den Ziel-Einlauf konnte ich leider nicht sehen aus dem Depot und verstehe durch den Wind auch den Sprecher nicht. Ich laufe zum Ziel, Cindy sitzt auf dem Boden und reißt die Arme hoch als sie mich sieht. Gewonnen. :-)